Erinnerungskultur am Gymnasium
Am Mittwoch, den 14.06. durften die Jahrgangsstufe 1 und die Klassen der Klassenstufe 9 einen Vortrag der Holocaust-Überlebenden Ruth Michel mit anschließender Fragerunde im Walter-Schweizer-Kulturforum besuchen.
Frau Michels Geschichte und die Art, wie sie diese erzählte, beeindruckte uns. Viele kräftige Emotionen, darunter Wut, Trauer und Hass, aber eben auch Mut und der ungebrochene Wille zu überleben, machten den Vortrag nicht nur unheimlich spannend, sondern vor allem sehr nachvollziehbar. Der Faschismus und das Leid, das er brachte, schienen für uns plötzlich sehr nah zu sein.
Frau Michel erzählte uns von ihrer Flucht aus Deutschland in ein Dorf im damaligen Polen (heutige Ukraine), da ihr Vater jüdischer Abstammung war. Da dieser in der neuen Heimat in einem Sägewerk arbeitete, das weit von zu Hause lag, übernahm die 13-jährige Frau Michel die versorgende Rolle der vierköpfigen Familie. Nachdem ihr Vater zwei Jahre später in dem mittlerweile besetzten Polen von den Nazis hingerichtet wurde, und sie selbst mit ihrer Mutter und ihrer jüngeren Schwester dem Tod nur knapp entkommen konnte, flüchteten sie quer durch Osteuropa vor den Nazis. Frau Michels Kindheit war also schnell vorbei. Man fragte sich, wie das wohl wäre, wenn mir so etwas passieren würde? Mit 15 Jahren auf der Flucht vor einem faschistischen Regime zu sein, klingt unvorstellbar; und doch machte der Vortrag uns sehr betroffen. Die anschließende Möglichkeit, Rückfragen zu dem Vortrag zu stellen, wurde reichlich genutzt. Wir alle wollten über dieses schreckliche Schicksal mehr erfahren und waren dankbar für diese Möglichkeit.
Die neue Perspektive auf den Holocaust, die Frau Michel uns eröffnete, da sie nie in einem KZ gewesen ist, ließ uns auch nach dem Vortrag mit gegenseitigem Redebedarf zurück. Die während des Vortrags sehr bedrückende Stimmung war nun gelockerter, aber auch bewusster. Bewusster darüber, wie wichtig die Erinnerungskultur für uns sein sollte, wie präsent Antisemitismus noch heute in unserer Gesellschaft ist. Das Wichtigste, das uns Frau Michel mit auf den Weg gab: die Erinnerungskultur auch in Taten umzusetzen. Ganz konkret fängt das schon dabei an, das Wort „Jude“ auf dem Pausenhof kein Schimpfwort werden zu lassen. Das sollte uns bewusst sein. (Joel Jetter, Benedikt Schlecht, Jahrgangsstufe 1)