Zeitzeugengespräch mit der Holocaust-Überlebenden Eva Erben
In meinem Kopf war der Begriff „Holocaust-Überlebende*r“ lang mit dem Bild eines Menschen verbunden, dem die Last eines schweren Schicksals durch eine Aura tiefer Traurigkeit anzusehen ist. Wie könnte es anders sein, dachte ich. Wie könnte man jenen Grausamkeiten jemals entfliehen?
Doch als die Holocaust-Überlebende Eva Erben am Freitag, den 27.1.2023 die Bühne der Liederhalle betritt, sehe ich nichts davon. Eva trägt ihren Kopf hoch erhoben, selbstbewusst lässt sie sich auf dem Sessel nieder, zu ihrer Rechten ein langjähriger Freund und ihr heutiger Gesprächspartner. Während des Gesprächs strahlt Eva nicht nur eine ungeheure Lebensfreude, sondern auch so viel Charme aus. Verschmitzt erzählt sie von ihrer Kindheit in Prag, ihrem Ehemann und ihrer in Israel gegründeten Großfamilie, die Unterhaltung von dem warmen Gefühl des Vertrauens untermalt, das auch für die Zuhörenden offensichtlich ist.
Als sie sich ihrer Zeit in Theresienstadt und Auschwitz, dem Verlust ihrer Eltern und ihres Zuhauses zuwendet, wird der Saal von einer tiefen Andächtigkeit erfasst. Ihr schonungsloser und unverblümter Bericht schockiert und entsetzt mich. Gleichzeitig ist da aber auch ein anderes Gefühl: unendlicher Respekt. Eva Erben hasst Deutschland nicht, ganz im Gegenteil. Sie reist oft in deutsche Städte, spricht dort zu Schülern und Erwachsenen und ermutigt sie zu der Offenheit, die sie hier in ihrer Vergangenheit nicht erfahren hat.
Ebenso wenig lässt sie sich von der Erinnerung an das Leid bestimmen. Mehrfach betont sie, dass das Andenken an die 6 Millionen Leben, die der Nationalsozialismus unter sich begrub, für sie eine stetige Quelle der Kraft repräsentiert, die in ihrer Heimat Israel ganz besonders spürbar ist. Eva Erben ist nicht nur eine Holocaust-Überlebende. Sie ist auch eine Ehefrau, eine Mutter, eine Großmutter, eine Person, die niemals aufgibt und die jeden Tag ihres Lebens als Geschenk annimmt.
Ich werde den Vormittag mit Eva Erben immer als einmaliges Ereignis in Erinnerung behalten, das mich mit einer unermesslichen Dankbarkeit zurücklässt, am Leben zu sein und es nach meinen Vorstellungen gestalten zu können. (Amelie Augustin JS2)