„Arbeit macht frei!“
Schüler der Klassenstufe 9 des PMHG auf Exkursion zur KZ-Gedenkstätte Dachau
Sobald das Eingangstor mit dem bekannten NS-Spruch auftauchte, stieg ein komisches Gefühl in mir auf. Der enorme Hohn, der in diesem Schriftzug steckt, wirkte erschreckend auf mich. Er ist der genaue Gegensatz zu dem, was hinter dem elektrischen Stacheldrahtzaun geschah. Obwohl mir schon auf der Hinfahrt mit den anderen Neuntklässlern klar gewesen war, dass diese Worte das Erste sein würden, was wir zu sehen bekämen, war es etwas ganz anderes auf einmal selbst davor zu stehen. Während unsere Referentin vor dem Tor stand und uns erklärte, dass manche Häftlinge einen ganzen Tag in der Kälte vor dem Tor ihre Strafe ausstehen mussten, überlegte ich, wie sich die ankommenden Gefangenen wohl gefühlt hatten. Was dachten sie, als sie auf dieses Tor zugingen? Als es sich hinter ihnen schloss und sie nicht wussten, ob sie ihre Familien jemals wiedersehen würden? Sie hatten sicher Angst und waren eingeschüchtert. Diese Angst wurde gleich bei der Registrierung gesteigert. „Der erste Eindruck zählte“, meinte unsere Referentin vor dem ersten Museumsraum. Die Ausstellung beschrieb, was nach der Ankunft geschah. Als die Häftlinge eingeliefert wurden, mussten sie zunächst alles abgeben, was ihnen gehörte. Die Ankommenden wurden immer wieder beschimpft, bedroht und geschlagen. In dem langen Raum, in dem die Ausstellung begann, waren Vitrinen aufgestellt mit Dingen, die den Häftlingen abgenommen wurden. Da gab es Urkunden, persönliche Fotos, Dinge, die ihnen wichtig waren. Nach dem Registrieren in Büchern, durch das jeder Name durch eine Nummer ausgetauscht, jede Persönlichkeit durch Zahlen ersetzt wurde, mussten sich die Gefangenen entkleiden. Außerdem wurden ihnen die Haare abrasiert. Sie wurden in einen Duschraum geführt, in dem sie sich waschen sollten. Danach bekamen sie nichts weiter zum Anziehen, als sehr dünne Häftlingsklamotten. Durch diesen ersten Eindruck der Demütigung wurden die Gefangenen eingeschüchtert, damit sie gar nicht erst auf die Idee eines Aufstandes kämen.
Das Konzentrationslager Dachau war das erste KZ der Nationalsozialisten. Es war in erster Linie ein Arbeitslager und wurde ursprünglich nur zu dem Zweck errichtet, um politische Gegner an einem Ort zu „konzentrieren“. Als Wärter wurden Männer der Schutzstaffel, kurz SS, eingesetzt. Auch in Dachau gab es ein Krematorium. Allerdings hat die Gaskammer in Dachau lang nicht so viele Menschenleben auf dem Gewissen, wie beispielsweise die in Auschwitz. Aus welchem Grund man sie nicht so häufig nutzte ist unbekannt, es gibt nur Vermutungen.
Im KZ hatten die Häftlinge stets Symbole zu tragen, welche sie definierten. Zunächst hatte jeder Häftling eine eigene Häftlingsnummer. Außerdem gab es eigene Farben für politische Gefangene, Berufsverbrecher, Emigranten, Bibelforscher, Homosexuelle und Asoziale. Eines der besonderen Symbole war für den sogenannten Häftling "1a". Der Häftling 1a war unter Strafandrohung dazu verpflichtet, jeden, wenn auch nur winzigen Regelverstoß seiner Kameraden zu melden. Egal, ob es darum ging, dass das Bett nicht richtig gemacht war oder das Geschirr nicht glänzte. Wenn ein Häftling 1a an einem Tag nichts meldete, so wurde er selbst hart bestraft.
Das gesamte KZ umfasste 34 Baracken. Für jede dieser Unterkünfte hatte man anfangs etwa 200 Personen eingerechnet. Gegen Ende des Konzentrationslagers waren es allerdings 2000 Häftlinge pro Baracke. Eine weitere Art die Insassen zu foltern. Allein durch Überfüllung.
Ich fand die Vorstellung schrecklich, morgens aufzuwachen und eine Leiche im Bett neben mir zu finden. Aber durch die schlimmen Lebensbedingungen passierte so etwas leider nicht selten.
Nachdem wir uns im Museum umgesehen hatten, führte uns die Referentin zum nächsten Gebäude, dem Lagergefängnis oder „Bunker“. Dort wurden die Häftlinge eingesperrt, die Fehler begangen hatten. Oft waren das nur so nichtige Dinge, wie ein abgefallener Knopf. Für so eine Kleinigkeit bekamen die Gefangenen Strafen, wie Pfahlhängen oder Dunkelhaft. Ein Gefängnis in einem Gefängnis. Geht es noch schlimmer?
Tatsächlich gab es noch weitere Foltermethoden. Vor dem Lagergefängnis hatten die Häftlinge schreckliche Angst, denn dort war es noch grausamer als im Lager selbst. Hier gab es keine Zeugen, hier konnten die Wärter mit ihnen tun, was sie wollten. Wir besichtigten die Zellen, die klein und immer kalt waren. Es gab zwar eine Heizung, diese war allerdings nur von außen durch die Wärter zu steuern. An die Wand einer Zelle wurde ein Bericht eines Gefangenen projiziert. Dieser berichtete, dass er in seinen vier Monaten Dunkelhaft nur alle vier Tage etwas zu essen bekam. Wer im Bunker war, der war danach gebrochen; vorausgesetzt er überlebte die Strafen. Denn nach dem Pfahlhängen hatte man kaum Überlebenschancen, da einem dabei die Arme verdreht und die Schultern ausgekugelt wurden.
Am schlimmsten war aber die Vorstellung, dass wir gerade an Zellen vorbeigingen, in welchen Menschen aus Verzweiflung Selbstmord begangen hatten. Ich fragte mich immer wieder, was die Wärter dazu gebracht hatte, diese Menschen so grausam zu behandeln und so sehr zu hassen. Ohne diesen Hass, der ihnen eingetrichtert wurde, hätten die Gefangenen nicht in der ständigen Angst gelebt, misshandelt, gefoltert oder getötet zu werden. Am Anfang waren die SS-Wärter nicht zur Folter ausgebildet worden. Sie kamen von selbst auf diese Idee und waren abscheulich kreativ.
Bereits beim Appell begann die Folter. Hier mussten die Häftlinge zwei bis drei Stunden strammstehen, um durchgezählt zu werden. Wie schlimm das gewesen sein musste, wurde uns sehr deutlich vor Augen geführt, da unsere Exkursion im Winter bei Minusgraden stattfand. Im Gegensatz zu den Häftlingen verfügten wir allerdings über warme, wetterangepasste Kleidung.
Ich selbst kann mir nicht vorstellen so etwas meinen Mitmenschen anzutun, selbst wenn ich sie nicht mögen würde. Doch dadurch, dass die SS vollkommen von Hitlers Ideologie durchdrungen und überzeugt war, zeigten diese auch keine Skrupel, Häftlinge kaltblütig zu erschießen. Sie sahen die Gefangenen nicht als Lebewesen. Für die Wärter waren sie nicht mal mehr Tiere.
Später, auf dem Weg zum Krematorium, fragte ich meine Mitschüler, wie es ihnen mit dem ging, was sie gesehen hatten. Viele meinten, dass es sie bedrücke und sie sich irgendwie fehl am Platz fühlten. Es ging also nicht nur mir so.
Trotzdem gibt es wohl Besucher, denen die Ernsthaftigkeit und Traurigkeit dieses Ortes nicht bewusst ist. Es ist kaum vorstellbar, dass die originalen Duschköpfe aus dem „Brausebad“ als eine Art Souvenir von Unbekannten entwendet wurden. Nach diesem eindrücklichen Besuch in der KZ-Gedenkstätte bin ich der Meinung, dass diese Leute etwas größeren Respekt vor einem solchen Ort haben sollten. Schließlich handelt es sich um einen Ort der Erinnerung und des Gedenkens der Opfer. Im Prinzip ist eine KZ-Gedenkstätte wie ein großer Friedhof; ein Ort an den Betroffene und Angehörige kommen können, um zu trauern und dessen Würde unbedingt geachtet werden muss.
Ich halte es für sehr wichtig, so einen Ort einmal mit eigenen Augen gesehen zu haben. Man macht sich im Geschichtsunterricht meistens keine so genauen Gedanken, wie schlimm die Taten der Nationalsozialisten waren. Erst wenn man mit eigenen Augen gesehen hat, was sie angerichtet und den Menschen angetan haben, wird einem klar, wie wichtig es ist, seine Mitmenschen zu achten und eine Wiederholung der Ereignisse zu verhindern.