Echterdinger Gymnasiasten stehen vor und hinter der Kamera

Artikel aus der Filderzeitung vom 06.07.2013; Text und Foto: Natalie Kanter

Echterdingen - Und Action“. Die Klappe ist gefallen. Ton und Bild stimmen. Patrick, Schüler des Philipp-Matthäus-Hahn-Gymnasiums, sitzt vor der Kamera. Und er fragt: „Welche Regierungsform hat euer Land?“. Mitschülerin Anne will später wissen: „Warum lernt ihr eigentlich Deutsch?“ Max interessiert, ob sie auch Umgangssprache beigebracht bekommen. Die Fragen richten sich an Schüler, die zig Flugstunden, tausende von Kilometer und zahlreiche Ländergrenzen entfernt leben.

Zwanzig Echterdinger Gymnasiasten aus den Klassenstufen sieben bis elf wurden ausgewählt, an dem interkulturellen Filmprojekt „EinBlick“ teilzunehmen. Sie sind bisher die einzigen Schüler Deutschlands. Silke Beller und Kerstin Rickermann – zwei Filmemacherinnen aus London – wollen Jugendliche aus der ganzen Welt miteinander vernetzen. Sie produzieren gemeinsam mit jungen Frauen und Männern unterschiedlichster Länder Videobotschaften und Kurzfilme. „Die Schüler bestimmen die Inhalte selbst“, erklärt Rickermann.

Ausgangspunkt an der Echterdinger Schule war: Was wollen wir über unser Leben in Deutschland erzählen? Und was macht überhaupt unsere deutsche Kultur aus? Die Schüler haben sich vorgenommen, mit Vorurteilen über Deutsche aufzuräumen. Sie interviewen Menschen und drehen auf dem Schulgelände sowie im Stadtgebiet zu dem Gesagten humorvolle Szenen. So werden beispielsweise die reisefreudigen Deutschen gezeigt, wie sie mit Handtüchern die Strandliegen am Pool besetzen.

Religionsfreiheit leben

Die Gymnasiasten haben sich die Filme, die bereits in Neuseeland und im Senegal gedreht wurden, angeschaut. Dabei kam die Frage auf: „Kann man in Deutschland Religionsfreiheit leben?“ Das Positive zunächst: Die Schüler glauben, dass das Land auf einem guten Weg dorthin sei. Eine junge Frau mit türkischem Hintergrund habe, wie Rickermann berichtet, allerdings auch andere Erfahrungen gemacht. Sie wurde, als sie sich mit Kopftuch für einen Job in der Bäckerei beworben hat, aufgefordert, das Tuch vom Kopf zu nehmen. Sonst würden die Kunden verschreckt.

„Das ist in London ganz anders“, sagt die Filmemacherin. Dort gehöre das Kopftuch mittlerweile zum Alltag. Die Frauen haben sich der interkulturellen Verständigung verschrieben. Und wollen einen Beitrag gegen Rassismus leisten. Sie sind zwar in Deutschland geboren, leben aber mittlerweile seit zwölf Jahren in England. Dort haben sie 2004 die Firma Glocal Films gegründet und sich zum Ziel gesetzt, Menschen eine Stimme zu geben.

Beller und Rickermann haben bis dato Schüler in zwölf Ländern auf verschiedenen Kontinenten besucht. „Im Februar waren wir in Neuseeland, im März im Senegal und im November geht es nach Mexiko“, sagt Rickermann. Weitere Besuche sind geplant. Das Projekt wird drei Jahre dauern, also auch noch 2014 weitergehen.

Die Filmschaffenden arbeiten dabei mit den Goethe-Instituten im Ausland und dem pädagogischen Austauschdienst, der zur Kultusministerkonferenz der Länder gehört, zusammen. Die Teilnehmer eint, dass sie Deutsch sprechen – entweder lernen sie die Sprache gerade oder sie sprechen sie als Muttersprache.

Die Ergebnisse der Workshops werden im Internet öffentlich gemacht. Schülergruppen aus drei Ländern tauschen ihre Filme aus. Am Ende fasst ein Abschlussfilm den interkulturellen Austausch zusammen. Das Echterdinger Gymnasium hat sich unter den deutschen Bewerbern durchgesetzt, weil sich die Lehrkräfte für das Projekt so eingesetzt haben, weiß Rickermann.

Im Klassenzimmer flimmern mittlerweile Filmsequenzen aus dem Senegal über die Leinwand. „Was wollt ihr später werden? “, will ein Jugendlicher aus Afrika wissen. Und die Echterdinger Gymnasiasten antworten. „Ich will Bundeskanzlerin werden“, sagt ein Junge und grinst dabei. „Und ich will Vogelkundler werden“, sagt einer, der es ernst meint. Ihre Mitschülerin Dicle filmt die Schüler dabei.

Die junge Frau freut sich über die Verantwortung, die sie übernehmen darf. Es sei nicht üblich, dass man Schülern eine so wertvolle Kamera in die Hand drückt. Hatice findet es erstaunlich, dass die deutsche Sprache auf der Welt so präsent ist. Und für Robin ist es spannend, sich mit Jugendlichen anderer Kulturen auszutauschen.

Impressionen von den Dreharbeiten