GUATEMALA – IM LAND DES EWIGEN FRÜHLINGS
Als mir im März letzen Jahres mitgeteilt wurde, ich würde mein Auslandsjahr in Guatemala verbringen, musste ich erst mal den Atlas rausholen, also mit diesem Land hatte ich nun wirklich nicht gerechnet, aber was hatte ich eigentlich erwartet?
Eigentlich in diesem Sinne nichts.
Ich hatte damals, als uns eine Länderliste zugeschickt wurde, beliebig mit Eifer verschiedene Länder angekreuzt. Guatemala war wohl auch mit dabei gewesen… Komisch, dass niemand weiß, wo Guatemala liegt, denn alle (sollten) wissen wo man Mexiko auf der Landkarte findet, Guatemala liegt gleich darunter. Ein kleines Land, vielleicht gerade mal so groß wie Süddeutschland mit einer Einwohnerzahl von 12 Millionen Menschen, 3 Millionen davon leben in der Hauptstadt Guatemala Ciudad.
Das Erste was ich also dann gemacht habe war, mir einen Reiseführer über dieses Land zu kaufen und ab und zu Mal darin zu schmökern, doch irgendwie konnte ich mir das Ganze noch nicht so ganz vorstellen- und mich dort noch viel weniger, aber im Juli 2005 war es dann soweit. Das Flugzeug Richtung Guatemala hob ab, an Bord mit mir und 16 anderen deutschen Austauschschülern. In diesem Moment konnte ich es noch gar nicht so richtig fassen, dass ich so weit weg einige Monate meines Lebens verbringen würde.
Nach ziemlich vielen Stunden Flug landeten wir auf dem kleinen Flughafen der Hauptstadt, es hatte gerade geregnet und es war irgendwie gar nicht so warm, wie wir uns das alle ausgemalt hatten. Die Hitze in Guatemala jedoch sollte ich noch später zu spüren bekommen. Nach einem Einführungscamp meiner Organisation, wo wir mitunter das erste Mal ein guatemaltekisches Frühstück aßen (Rührei, frittierte Bananen, braune Bohnen und Tortillas) wurden wir dann endlich zu unseren Gastfamilien gebracht, war ich da aufgeregt!
Bis zu meiner Stadt sind es ungefähr 3 Stunden Autofahrt, man fährt an Vulkanen vorbei, und es geht irgendwie die ganze Zeit abwärts, Richtung Küste eben. Alles wird saftig grün, Palmen und exotische Pflanzen säumen die Strassen, aber auch kleine, ärmliche Hütten und ich hatte schon richtig Angst, wir würden dort anhalten und sie würden mir verkünden, dass das mein neues Zuhause wäre.
Das Allererste, was einem als Europäer hier auffällt, sind die ganzen Farben, mit denen die Häuser angestrichen sind, ich glaube sie dienen dazu, die Armut etwas zu verbergen und das Ambiente so lebensfroh zu machen. Nicht nur die Häuser sind sehr fröhlich bemalt, die typische Kleidung der so genannten Indigenas (Ureinwohner Guatemalas) besteht aus einem Rock und einer Bluse in allen erdenklichen Farben, die von Region zu Region variieren.
Nach drei Wochen wechselte ich meine 1. Familie, und wurde richtig glücklich mit meiner 2. Gastfamilie, die ich in meiner Schule über eine Freundin fand, aber dazu später.
Bald schon ging es das erste Mal für mich in die Schule, und obwohl für mich sowieso alles noch total spanisch klang, wurde ich total herzlich von Allen aufgenommen, angesprochen und ausgefragt. Meine neue Schule wurde eine Privatschule am Rande der Stadt, eigentlich schon im Urwald gelegen -Lernambiente inmitten von Kautschukbäumen und anderen Pflanzen, die ich vorher noch nie gesehen hatte…
Die Schule war für mich einer der ersten Orte, neue Freundschaften zu knüpfen, und mit dem guatemaltekischen Volk in Berührung zu kommen. Das Level des Unterrichts entspricht natürlich lange nicht dem des deutschen Bildungssystems, Geschäft gilt vor Bildung und das, obwohl meine Schule eigentlich die beste der ganzen Umgebung hätte sein sollen. Sehr gewöhnungsbedürftig für mich war zuerst einmal die Schuluniform, für die Mädchen wurde ein grün-brauner Faltenrock bis zum Knie und eine weiße Bluse mit Schulabzeichen vorgeschrieben, dazu braune Schuhe. Was mir zu Anfang ziemlich unbequem, nebenbei nicht besonders schön und einfach doof erschien, wurde zum Alltag für mich und man merkt, was für Vorteile es mit sich bringt, sich nicht jeden Morgen von Neuem überlegen zu müssen, was man anziehen soll.
Meine 2. Gastfamilie bestand aus meinen Gasteltern und drei Gastschwestern, wovon aber nur eine wirklich die ganze Zeit mit mir daheim war. Mein Zuhause war ein kleines Paradies, eine Hühnerfarm mitten in der Pampa mit Pferden, einem Swimmingpool, einem großen Haus, inklusive drei Hausmädchen, die für uns kochten, wuschen und allerlei andere Dinge machten. Man muss dazu sagen, dass in Guatemala fast jede Familie, die es sich leisten kann, ein Hausmädchen hat, welches hilft, das Haus sauber zu halten.
Meine Gastmutter hatte nebenbei noch eine Art Bäckerei und nahm auch Bestellungen an, Kuchen für besondere Anlässe zu backen, ich war also gut versorgt.
Ein besonderes Ereignis für mich war natürlich Weihnachten- ein paar Wochen vorher wird dann schon mal der Plastikbaum ausgepackt und das komplette Haus mitgeschmückt. Eine komische Vorstellung, bei 30 Grad Hitze einen Schneemann zur Dekoration an die Wand zu hängen.
Weihnachten an sich wird nicht so spektakulär wie in Deutschland gefeiert. Die ganze Familie kommt zusammen, um Mitternacht isst man zusammen einen „Tamal“, das ist wie salziger Grießbrei mit einer roten Soße, eingepackt in ein riesiges Bananenblatt. Dann werden ein paar Geschenke ausgepackt und ein Feuerwerk wie in Deutschland an Silvester gemacht. Leider haben sich bei unserem Feuerwerk an Weihnachten ein paar Hühner vom Knall und den ungewöhnlichen Lichtern ziemlich erschrocken, und sind vor Aufregung gestorben.
Die Semana Santa, sozusagen die Osterwoche, wird hier auch ziemlich groß gefeiert. In jedem Dorf gibt es eine Menge kirchlicher Prozessionen zu bestaunen, die Heiligen der katholischen Kirche werden auf großen „Schiffen“ in der Stadt herumgetragen und die bunt gestreuten Farbteppiche aus gefärbten Holzspänen auf der Strasse erzählen den Leidensweg von Jesus.
Eins der Highlights für mich waren natürlich die Reisen durch das Land, Guatemala ist ein wunderschöner kleiner Fleck auf der Erde, so reich an Schönheit und Natur wie man es sich nur wünschen kann. Es gibt den Strand, ein kleines bisschen Karibik, das kalte Hochland, die Küste mit dem feuchtheißen Klima, den Dschungel oder eine halbe Wüste. Guatemala wird deshalb das Land des ewigen Frühlings genannt, weil es eigentlich immer grün ist- es gibt keine vier Jahreszeiten, sondern nur den Winter, also die Regenzeit und den Sommer, die Trockenzeit.
Mülleimer findet man in Guatemala normalerweise nicht, wer seine leere Wasserflasche im Bus nicht mehr braucht, schmeißt sie einfach aus dem Fenster, das ist ja schließlich bequemer. Das Wasser kann man nicht aus dem Hahn trinken, weil es zu dreckig ist, anstatt dessen trinkt man sauberes Wasser entweder aus Plastiktüten oder kleinen Flaschen.
Obwohl Guatemala als ein sehr armes Land auf der Welt gilt, muss man nicht denken, die Menschen würden dort noch auf Bäumen leben- es gibt Internetcafes, die neusten Kinofilme aus Hollywood, moderne Einkaufscenter und, und, und.
Die Guatemalteken sind ein herzliches, freundliches Volk, die gerne ausgelassen feiern, Party machen, Musik lieben, und ihr Leben vielleicht glücklicher und zufriedener als manch Europäer leben, und dabei macht das gar nichts aus, dass sie vielleicht gar nicht dieselben Voraussetzungen haben.
In diesen 11 Monaten habe ich soviel über mich und andere Menschen gelernt, eine Menge Probleme bewältigt und gelernt, mich im Leben zurecht zu finden. Ich habe viele Freunde und eine zweite Familie für mich gefunden, eine andere Kultur kennen gelernt und für mich ist dieser Ort auf der anderen Seite der Weltkugel eine neue Heimat geworden.
Wollt ihr nicht auch so etwas erleben? Ich glaube, so etwas ist alle Mühe wert, und man kann überall auf dieser Welt glücklich werden.
Viva Guatemala!
Ein Bericht von Rahel Schultz